Die allgemeine Wehrpflicht ist wieder ins Gespräch gebracht worden, zuletzt durch den CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz, aber auch durch den Verteidigungsminister Boris Pistorius. Fast könnte man meinen, es sei schon fast ausgemacht, dass es in ein paar Jahren für junge Leute ganz selbstverständlich wieder eine Pflichtzeit für die Gesellschaft gibt, sei es in der Bundeswehr oder anderswo. Hier mein Beitrag zur Debatte, der schon vor zwei Jahren aus Anlass von damaligen Äußerungen des Bundespräsidenten erschienen ist.
Der Bundespräsident hat für seine Anregung, einen allgemeinen sozialen Pflichtdienst für junge Leute einzuführen, viel Kritik bekommen. Zurecht, denn seine Begründung ist fragwürdig und der Sinn des Dienstes, den sich Frank-Walter Steinmeier vorstellt, ist nebulös. Steinmeier meint, dass eine solche Pflichtzeit irgendwie soziale Kompetenzen befördern und das Verständnis für andere Lebensentwürfe und Meinungen stärken würde. Warum das so sein sollte, bleibt im Ungefähren, dass etwa der Wehrdienst oder das freiwillige soziale Jahr besonders zur Stärkung solcher Fähigkeiten beigetragen hätte, kann bezweifelt werden.
Viele vermuten, dass ein Pflichtdienst für die Pflegedienste, die sozialen Einrichtungen und die Bundeswehr nicht anderes sein würde als die Bereitstellung billiger Hilfskräfte mit geringen Kompetenzen, die am Ende mehr Zeit kosten, als sie Nutzen bringen, für die jungen Menschen auf jeden Fall verschenkte Lebenszeit, in der man im besten Fall ein paar interessante Leute kennengelernt hat, die man aber auch in der Ausbildung, beim Studium oder beim Weltenbummel treffen könnte.
Dennoch kann eine Pflichtzeit eine sinnvolle Sache sein. Es sei daran erinnert, wozu die Wehrpflicht, die als Vorbild für jede gesellschaftliche Pflichtzeit dient, eigentlich da war. Die Rekruten sollten in ihrer Zeit in Uniform zwar einerseits auch sinnvolle Aufgaben erledigen, das Wichtigste aber war, eine militärische Grundausbildung zu bekommen und militärische Kompetenzen zu erwerben, die im Ernstfall später einmal wieder abgerufen werden könnten. Der Zweck der Wehrpflicht war vor allem, Reservisten hervorzubringen.
Vielleicht brauchen moderne Armeen keine großen Heere von Soldaten mehr, sodass die Wehrpflicht in diesem Sinne nicht mehr nötig ist. Aber die Gesellschaft steht vor schwierigen Zeiten mit großen Herausforderungen. Klimakrise und Pandemien werden lokale und überregionale Notlagen schaffen, die ein schnelles, diszipliniertes und organisiertes Handeln von Kräften erfordern, die zügig am Ort der Katastrophe sein können und da effektiv arbeiten. Wir sehen heute, wenn es irgendwo zu einem Katastrophenfall kommt, sei es eine Überschwemmung, sei es ein lokal besonders heftiger Ausbruch einer Pandemie, dass die ausgebildeten Spezialkräfte der Feuerwehren, des THW und der Polizei schnell überlastet sind, und die Selbsthilfe vor Ort scheitert an fehlenden Fähigkeiten und mangelnder Organisation.
Was eine zunehmend verletzliche Gesellschaft braucht, ist ein breiter Zivilschutz, der sich im Bedarfsfall schnell aus lokalen Kräften rekrutierten kann. Solche einen Zivilschutz aufzubauen, kann ein vernünftiger Zweck einer Pflichtzeit sein, in der junge Menschen das Rüstzeug für den Einsatz im Katastrophenfall erwerben. Dazu gehört eine fundierte Sanitätsausbildung, die auch im Alltag hilfreich sein kann, aber auch Fähigkeiten beim Errichten von Notunterkünften, beim Beseitigen von Störungen der Verkehrswege und vieles mehr. Dazu gehört aber vor allem auch, zu lernen, sich diszipliniert in eine effektive Organisationsstruktur einzufügen, in der klar geregelt ist, wer entscheidet und in der nicht lange diskutiert, sondern entschlossen gehandelt wird.
Ein solcher Pflichtdienst kann den jungen Menschen tatsächlich eine Menge interessanter Erfahrungen bieten und überraschende Kompetenzen fürs Leben vermitteln. Davon würde die Gesellschaft sicher wirklich im Ganzen profitieren, und am Ende würde das auch den Zusammenhalt in dieser Gesellschaft fördern. Aber nicht, weil man mal ganz andere Leute kennengelernt hat, wie der Bundespräsident meint, sondern weil man gelernt hat, wie man konzentriert und diszipliniert gemeinsam handelt, wenn die Gesellschaft in Not ist.