Vorheriger Tag: Überall Franzosen
Nachdem wir einen weiteren kalten und windigen Pass überquert hatten erreichten wir schon gegen Mittag die Hochebene des Song-Kol. Endlich konnten die Pferde ausgiebig traben und wir hatten ebenfalls Freude an den schnellen Schritten über die Ebene hinab zum See.
Das Verhältnis der Kirgisen zu ihren Pferden ist anders, als wir uns das mit unseren Erfahrungen aus dem Münsterland vorgestellt hatten. Morgendliches Bürsten und Striegeln oder Hufeputzen gibt es nicht, überhaupt keine irgendwie pflegende oder gar liebevolle Beziehung zum Tier. Abends werden die Vorderbeine mit Stricken zusammen gebunden, sodass die Tiere nicht davonlaufen können. Eine Französin aus Maschas Gruppe erzählte, als wir darüber redeten, dass eines dieser Tiere beim Versuch, aus dem Bach Wasser zu trinken, gestürzt sei und nicht mehr aufstehen konnte. Sie alarmierte die Guides, die zwar kamen und das Tier aufrichteten, aber sich dann nicht weiter drum kümmerten, obwohl es am Kopf blutete.
Mittag aßen wir mit einem Paar aus Spanien und zwei Frauen aus Hongkong sowie ihren einheimischen Begleitern. Die Begleiterin der Spanier, eine junge Frau aus Kotschkor, befragten wir zu ihrer Meinung zur Stellung der Frau in Kirgistan. In den Jurten erlebten wir die Frauen immer wieder als Bedienstete der Männer, und die Jungen ahmten schnell das Verhalten der Väter nach, so wie die Mädchen in die Rolle der Mütter eingeübt wurden. Sie versicherte uns jedoch, dass jede junge Frau hier ihren Weg selbst wählen könnte. Das, was wir hier in den Bergen erlebten, sei von den Frauen zum einen selbst so gewählt, zum anderen würden auch diese Familien nur 4-5 Monate im Jahr hier dieses Leben leben, den Rest des Jahres seien sie in den Dörfern unten, und da sei es komplett anders.
Am Abend hatten wir ein weiteres verstörendes Erlebnis. Ein junges Pferd wurde von Männern wieder und wieder mit kaltem Wasser übergossen. Cornelia hatte in „Abschied von Gülsary“ gelesen, dass das eine Art Erziehungsmethode sein sollte. Das Pferd müsse nun die ganze Nacht am Anbindeplatz festgebunden stehen, allein, dort, wo alles Grüne längst weggefressen und zertreten war. Das klägliche Wiehern raubte mir den Schlaf.